Kalkuliertes Durcheinander: Max Löbners KLSD in der naTo
Wenn eine Band schon mit den ersten Klängen den Raum bis ins hinterste Eck erfüllt, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. So auch beim Konzert von Max Löbner’s KLSD am Sonntagabend in der naTo. Der Saal mit knapp 100 Plätzen ist nahezu ausverkauft und das Publikum belebt ihn mit Wohlwollen und Vorfreude, typisch für ein Festival-Auftaktwochenende. Max Löbner ist diesjähriger Preisträger des Leipziger Jazznachwuchspreises, der jährlich von der Stadt an »talentierte, junge Musikschaffende« verliehen und an diesem Abend überreicht wird.
KLSD, besetzt mit zwei elektrischen Gitarren, Altsaxofon und Schlagzeug, bringen im Moment des Betretens der Bühne unterschiedliche Energien mit. Der Erste wirkt angespannt, widmet dem Publikum keinen Blick. Der Nächste stürmt vorfreudig zu seinem Instrument. Der Letzte schlendert geradezu beiläufig auf seinen Platz. Löbner selbst testet einen Ton und ich sitze erwartungsvoll auf meinem Platz. Was wird die erste musikalische Aktion sein? Mit welchem Sound, welchem Schwung geht die Musik gleich durch die Ränge? Bei KLSD klingt sie direkt und fett. Direkt, indem sie die Hörer*innen sogleich in die Klangwelt der Band einführt: verzerrte Gitarrenakkorde, Dissonanz und Konsonanz aushandelnd, dazu tief gestimmte Trommeln in kalkuliertem Durcheinander. Fett, indem die Instrumente exzellent zu hören sind und den gesamten Frequenzbereich ausgewogen abdecken.
Die vier Musiker, alle Mitte Zwanzig, spielen seit über zwei Jahren zusammen und bewegen sich wie selbstverständlich im eher seltenen Klanggebilde dieser Besetzung. Es scheint zum Konzept zu gehören, dass alle Bandmitglieder mit gleicher Gewichtung zum Geschehen beitragen. Dennoch befeuert besonders Eddy Sonnenschein mit unerwarteten Drumfills das Publikum. Max Löbner schüttelt komplexe Riffs aus dem Handgelenk, während er zugleich mit begeisterten Blicken das Spiel seiner Kollegen würdigt. Doch auch Julian Drach und Fridolin Krön tragen wesentlich zum Gesamtsound der Band bei. Krön brilliert als konzentrierter Begleiter und Solist an der zweiten Gitarre, ohne den Bogen zu überspannen. Drachs Saxofonspiel ist ehrlich und unmittelbar, als gäbe es in jedem Moment nur die Musik. Das von ihm im letzten Stück gespielte Sopransaxofon erinnert dabei an Coltranes späte Aufführungen von »My Favorite Things«.
Die klangliche Palette reicht von Captain-Beefheart-artigen Chaospassagen zu anmutigen Indie-Gitarren-Arpeggios. Löbners Gitarrenvorbilder sind mutmaßlich eher Gary Moore und Allan Holdsworth als Wes Montgomery. Nicht jedes Stück nimmt einen runden Bogen, doch steht die Band ja noch am Anfang und lässt, ganz wie es die Ausschreibung des Jazznachwuchspreises vorsieht, »eine besondere künstlerische Entwicklung erwarten«.
TEXT: JAKOB OBLESER